Die "Endstation"

„Wir müssen die Stadt wieder aufbauen und dafür brauchen wir Stahl! Demontieren wir die alten Gleise!“, bemerkte der frische Kaiser.

„Nein!“ sagten der Stadtrat. „Vielleicht brauchen wir sie noch! Der Zug war schon immer ein ordentliches Transportmittel!“ 

Der Kaiser blieb hart: „Ja, aber brauchen wir denn wirklich ALLE 23 Gleise am Hauptbahnhof? Vor allem die Linie nach Fädd ist wohl wirklich überflüssig geworden. Man bedenke, dass jeder Weg von der Noris weg auch ein Weg zur Noris hin ist.“

„Hm!“ sagte der Stadtrat. 

Und auf einmal hatte die Stadt genug Stahl. In der Zeit, in der die große Gleisschmelze ihren Anfang nahm, wurden sehr viele Arbeitskräfte für die Demontage gebraucht. Ein findiger Geschäftsmann, den alle nur „Jockel“ nannten, tauchte eines Tages mit einem von ihm restaurierten Wagen voller dampfender Fleischküchle, wässrigem Kaffee und einer Kiste Bier im alten Bahnhof auf. Zackbumm, war er ausverkauft. Nach einer Woche stellte er eine Bank und einen Tisch bei seinem Wägelchen auf. Einen Monat später, baute er mit seinem Sohn gemeinsam eine kleine Hütte vor dem Bahnhof auf. Ein halbes Jahr später zog er IN den Bahnhof, setzte einen Teil im Erdgeschoss wieder in Stand und eröffnete die Endstation, das erste Auffangbecken für Reisende, die auf ihr Vorsprechen bei der VAG warten.

Von der Rostrattwurst über ein Noriser Seidl, die Endstation hat alles auf der Karte, wofür die Noris berühmt ist. Da die Kneipe nicht innerhalb der Mauern ist, muss der alte Jockel selbst für seinen Schutz aufkommen. Also zusätzlich zu den ganzen Demontage-Arbeitern, die Jockel alle beim Namen kennt, den VAGlern, die hier Mittag machen und den Postlern, hat sich Jockel eine Knarre besorgt. Dumm nur, dass er auf einem Auge blind ist und besoffen gerne mal damit rumwedelt.


Das "One-Hundred-Rats"

In der Stadt Langen, also der ehemaligen Stadt, jetzt ergiebiges Trümmerfeld, herrschte vor langer Zeit ein Reliktjäger über die Clans und Camps seiner Zunft. Das war Vadik.

Wo er mit seinen Jungs aufgetaucht ist, war schnell klar, wer die endzeitlichen Hosen anhat. Aber Vadik wurde auch älter. Eines Tages verfolgte ihn so ein mutiertes Riesenwildschwein, wie sie aus dem Osten ab und zu rüber wandern. Er rannte und schoss immer wieder hinter sich, aber das Vieh blieb hartnäckig und holte immer weiter auf. Es kam zu einem wüsten zusammenstoß und es ist Vadiks eisernem Willen zu verdanken, und dass er ein guter Messerkämpfer ist. Nachdem er dem Untier mehrmals in beide Augenhöhlen gestochen und die Kiefermuskeln an beiden Seiten durchtrennt hatte, war der Kampf für das Schwein vorbei.

Von dem Trümmerbruch, den Vadik sich zugezogen hatte, erholte er sich nie wieder ganz. Humpelnd ist jeder Reliktjäger im Ödland nicht mehr als eine wandelnde Zielscheibe. Vadik entschied sich also für den Ruhestand. Er verkaufte seinen Reliktjägerschatz, also alles was wertvoll war und sowieso irgendwann an den Mann sollte, und wurde so Bürger der Noris.

Von dem enormen Erlös erstand er sich den Keller unter der Mauthalle und wohnt seither Tür an Tür mit der Handelsgilde. Der Laden läuft gut. Zur Eröffnung des "Hunderd Raddn" brachten viele seiner ehemaligen Kollegen Ersatzteile für die alte Bierbrauanlage im Hinterstübchen mit, die seither wieder läuft. Alles natürlich streng nach einer zeitgemäßen Auslegung des bayerischen Reinheitsgebotes von ... irgendwann vor langer Zeit! Na dann Prost.

Das "One Hundred Rats", benannt nach der Lieblingskneipe von Vadiks Vater weit im Osten, ist DER Szenetreff für junge Ödlandtechniker, Reliktjäger und Schrotthändler.


Die Glocke & Die Schleuse

Am großen Königstor im Süden der Stadt gibt's einen kleinen Innenhof, früher der Handwerkshof, heute ists die "Schleuse". Dort stehen die Spitalgeister und nehmen Blutproben, die VAGler haken ihre Fragebögen ab und einer vom Sternradio steht immer in der Ecke und schreibt auf, was die Ankömmlinge so im Ödland der Noris erlebt haben.

Der Norisianer ist selbst in der Endzeit ein Lebemann. Die Glocke, oder auch Glöckchen, ist der erste Botschafter der berühmten Gastfreundschaft der Noris, dem ein ankommender Reisender begegnen darf. Hier bekommt er die Chance auf einen Krug schwarze Anna und ein paar Rostrattwürste, 3 um genau zu sein, eingebettet in einen Fladen. Also die Würste, nicht das Bier. Die Glocke gabs schon solang die Noris denken kann. Selbst die ältesten Bürger erzählen, dass ihr Opa dort gerne zu Gast war. Das kleine Kabuff hat aber auch einen unwiderstehlichen Charme! Meistens bleibt es dann nicht bei einem Bier, denn die VAG ist mit ihren Einfuhrkontrollen sehr streng und dreht wahrlich jedes Blatt zwei mal um. Gegenzeichnen! Danke. Als geborener oder verdienter Bürger muss man sich diesen Stress natürlich nicht geben. Erst recht nicht wenn man den VAGler kennt. Oder ihn bestochen hat. Oder beides. Gegenzeichnen! Danke, schönen Tag noch.