Der Burgbergbunker


[Bunkerbewohner]


Der gute alte BBB, der Burgbergbunker. Geburtsstätte der Noris, wie wir sie heute kennen. Ursprung und genetische Heimat der meisten Freibürger, des Patrizierrates und natürlich des Neokarolinger-Geschlechtes. Aller Wohlstand, aller technologischer Fortschritt und die grundlegende Stromversorgung der wichtigsten Organe der Stadt, dies alles wäre ohne die alten Denkmaschinen, Datenbanken und den tief in den Eingeweiden der Installation vor sich hin brummenden Generator nicht möglich gewesen, ja nicht einmal denkbar. 

 

Heute ist der Bunker größtenteils verlassen, entkernt und all seiner alten Pracht beraubt. Niemand, auch nicht die VAG, die aus dem alten Stab des Aufsehers hervorgegangen ist, geht davon aus, dass man den alten Stahlsarg noch einmal brauchen würde. Der Einzige, der da unten noch nach dem Rechten sieht und dem Generator mit dem Besen einen Stoß versetzt, wenn dieser mal ins Stottern gerät, ist der alte Hausmeister Pitt. Als einer der letzten Freibürger mit Sondervollmacht könnte er es sich im Schatten der Burg gemütlich machen, doch er sagt, es gefalle ihm da unten. Der graue Bunkerschleim schmecke ihm und ohne das Surren und Tackern der alten Technologie um ihn herum, fände er ohnehin keinen Schlaf.

 

Manchmal verirrt er sich ins 100 Rats, trinkt mit dem Besitzer Vadim Knollenschnaps und erzählt Geschichten von früher, die er von seinem eigenen Vater hat. Wilde Abenteuer von den ersten Jahrzehnten im Bunker und gruselige Mären von einer riesenhaften, nach wie vor versiegelten Tür im untersten Stockwerk des Burgbergbunkers. Die Beschriftung sei schon lange nicht mehr lesbar, doch wenn man ganz leise ist und einen Moment abpasst, wenn der alte Generator, der Herzschrittmacher der Stadt, mal einen Aussetzer hat und es ganz still wird, dann, ja dann hört man deutlich Schritte auf der anderen Seite und ein leises Kratzen an der Innenseite der mysteriösen runden Tür. Das schwört einem der Pitt, jedoch erst nach einer halben Flasche klarem Sprit und auch nur, wenn die nächste Flasche schon in Aussicht ist.


Die Schichtbürger

 

[Erneuerer]


Zwei Wie Tag und Nacht: Die Schichtbürger der Noris

 

„Eine Münze hat immer eine Seite, die der, dem du sie zeigst, nicht sehen kann. Und eine dritte Seite, die wir beide nicht sehen können.“

- Sprichwort unbekannter Herkunft

 

Die Stadt der glitzernden Dächer und Türme, Mutter Noris. Sie ist ein Meer von blauen Dächern auf altehrwürdigen Bauten die nun ein Jahrtausend überdauert haben. Und noch immer schlägt ihr Herz Tag und Nacht. Unablässig und laut wie tausend Hammerschläge, auch wenn sie inzwischen einen Herzschrittmacher hat, wie man nach der Bunkeröffnung bald den alten Reaktor nannte. Das Ding war schon alt als es eingebaut wurde. Jetzt ist es steinalt und wird durch Spucke und beten am Laufen gehalten. Der Ausstoß an Energie reicht gerade mal so für einen Industriezweig der Stadt. Die wieder Instand gesetzten Maschinen, die Ausbeute der großen Demontage, sind allesamt sehr hungrig und verschlingen mehr Strom, als das alte Aggregat hergeben kann. Regelmäßig muss es sich abkühlen oder zur Wartung heruntergefahren werden. Ein echter Bürger der Noris bekommt mit der Zeit ein Gespür für den Herzschlag der Stadt und „hat es in den Knochen“, wenn der Herzschrittmacher gleich eine Macke haben wird. Wenigstens das Licht der Nacht muss der alte Akku nicht mehr selber machen. Die Dächer der Noris fangen den ganzen Tag die Strahlen der Sonne ein und lassen sie nachts wieder heraus. Denn im Dunkeln kann keiner arbeiten!

Wenn die Sonne untergeht und die Tagschicht ihre Bürgerstunden beginnt, geht ein lautes Klingeln durch die Tunnel unter der alten Lorenzkriche, die sich bis zum Weißen Turm ziehen. Das ist das Zeichen für die Nachtschichtler aufzustehen und die Plätze der Tagschichtler einzunehmen. Man begegnet sich auf der Straße mit einem geraunten „Ich halt dir dein Bett warm.“ von Seiten der Tagler das mit einem zynischen „Scho recht.“ quittiert wird. An den beiden Ausgängen, neben den großen Propellern, die frische Luft in den Gang wehen, steht jeden Abend und jeden Morgen ein Mann von der VAG und ruft mit einer Flüstertüte über die Köpfe der Schichtbürger, welcher Industriezweig der Noris heute bewirtschaftet wird: „Aufwachen Nachtler! Heut is Stahltag!!“ So geht es dann in eine der Fabriken der Stadt, ein langer Zug von Menschen und keiner wird zurückgelassen. Die VAG kontrolliert die Betten. Auf Bettläuse, sagen sie.

Tja, die Nachtler sehen auch aus, als würden sie nur Nachts arbeiten. Wenn dein Leben im Halbdunkel stattfindet ist ein Lied und eine schöne Stimme mehr wert als glitzernde Augen und rosige Wannen. Bleich um die Nase sind sie alle. Bei vielen ist es Jahre her, dass sie die Sonne gesehen haben. Die VAG bietet zwar Schichtwechselprogramme an, diese werden aber nur von ungefähr jedem dritten Nachtbürger auch wahrgenommen. Im Dunkeln ist eben gut munkeln.

Die Tagbürger sind da ganz anders. Laut und fröhlich, gerne am Lachen und während ihrer Bürgerstunde gerne am Trinken in den Kneipen der Noris. Die heiße Sonne des Ödlands hat ihnen die Haut gegerbt und die Herzen erwärmt. Der Wechsel in die Nachtschicht trifft meistens nur die, die sich etwas Schwerwiegendes zu Schulden haben kommen lassen und aus den schon fast familiären Verhältnissen, die unter den Taglern herrschen, verbannt wurde. Man ist solidarisch untereinander, hält sich für die eigentliche Kraft hinter dem Erfolg der Noris und verhält sich auch so. Dass jeder mal bei der Nachtschicht angefangen hat, vergisst man schnell als Tagbürger.

Jede der beiden Schichten dauert exakt 10 Stunden nach alter Zeitrechnung. Davor ist eine Stunde lang Zeit zu essen und seinen Platz einzunehmen, danach sind 3 Stunden Bürgerzeit. Hier werden die Verdienten Chids und Deckel auch gleich wieder in Umlauf gebracht.

Persönlichen Besitz anzuhäufen hätte eh keinen Sinn. Essen und Trinken gibt die Noris und man schläft sowieso nie zweimal im selben Bett.

Den Freigestellten, Leuten wie den Agenten der VAG, den Spitalgeistern und anderen Freibürgern ist das alles ziemlich egal. Hauptsache der Laden läuft! „Scho recht.“, meint der Schichtbürger und schwankt mit nem Seidla im Gesicht in seinen Schlaftunnel. Denn in 10 Stunden klingelt der Wecker und die VAG ruft einmal mehr: „Aufwachen Schichtbürger! Heute ist ein Stofftag!“


Freie Bürger


[Alles außer Mutanten]



folgt...